Kreolisch Reisen 3 | Die unsanfte Ankunft

Der Flug nach La Reunion ist lang. Laaaaang. Der Sonnenaufgang über Afrika ist spektakulär, ich kann mich gar nicht satt sehen an diesen tollen Farben und mit meinem Handy gelingt mir immerhin ein brauchbares Foto. Dann fliegt man über das Meer, wieder laaaaang. Wolken und Meer. Mehr Wolken, dann wieder weniger. Jedenfalls ganz viel Meer. Und als der Flieger endlich zum Landen ansetzt, sehe ich noch mehr Meer. Ich stelle ich mich innerlich schon auf eine Wasserung ein. Wirklich in letzter Minute taucht die rettende Landebahn auf. Finde ich zwar gut, aber so ein kleiner Inselrundflug davor, wär schon hübsch gewesen. Hatte mich schon so darauf gefreut – die Insel von oben zu sehen. War wohl umsonst.

Der Flughafen ist winzig, und ein bißchen so, wie die auf den griechischen Inseln. Alles ein bißerl improvisiert, in Bau befindlich, etwas vernachlässigt. Ich warte zunächst beim falschen Gepäcksband, ein innerlicher Instinkt sagt mir aber, dass mehr Menschen mit mir mitgekommen sein müßten als hier stehen. Wo sind die alle? Ich mache mich mit meinem Wagerl auf die Suche und finde bald eine beachtlich große Menschentraube. Dicht gedrängt und unmittelbar am Gepäckband, stehen sie alle in der ersten Reihe – und eindeutig VOR der gelben Linie, so als wollten sie alle auf dem Band mitfahren.

Das ist ärgerlich. Denn ich sehe nur Menschen und keine Koffer. Mit meinem Wagerl plus Handgepäck kann ich nicht so nahe ranfahren. Dieses unbeaufsichtigt hinten stehen zu lassen, erscheint mir jedoch nicht als ratsame Alternative. Ich luge zwischen Armen, Beinen, Rümpfen und Köpfen hindurch und erspähe vereinzelt Teile von verschiedenfarbigen Gepäcksstücken. Es kommt mir ein bißchen vor, wie bei Dalli Klick – wer das noch kennt. Man muß anhand winzig kleiner Ausschnitte das ganze Bild erkennen. Mein Koffer hat es aber scheinbar nicht eilig, und als er dann endlich einfährt, sind viele der Wartenden schon weg.

Erstaunlich viele ältere Menschen, die sichtlich wanderfroh sind, reisen in diese Gefielde. Schon im Flieger mit Wanderschuhen, wetterfestem Anorak und Rucksack unterwegs, sprachlich gesehen hauptsächlich Gallien und dem Schweizerland zuzuordnen. Und interessanterweise auch ein paar gleichgeschlechtliche Paare. Ich bin auf jeden Fall die einzige, die hier ganz allein anreist. Noch dazu aus Wien.

Nächste Aufgabe: Auto abholen; die Kleinheit des Flughafens macht es leicht, die richtige Stelle zu finden, nur waren leider die Leute, deren Koffer schon früher ins Ziel eingefahren ist, schon vor mir da. Ich warte eine halbe Ewigkeit, die lassen sich Zeit, hier, wir sind ja im Süden…

Als ich schlußendlich alles ausgefüllt, unterschrieben und unter den vielen, ausnahmslos weißen (und ein paar wenigen silbernen) Fahrzeugen das passende gefunden habe, fällt mir ein kleiner Stein vom Herzen. Ich ziehe – endlich ! – mein im Handgepäck mitgebrachtes Sommergewand an, ich bin nämlich einem Kreislaufkollaps nicht unnah. Es ist 12:00 Mittag und es hat fast 30 Grad. Juhuu, Sommer… Uffffffffff.

Und dann wird es wieder stressig. Ich montiere mein extra neu gekauftes, frisch mit Afrika-Karte (inkl. La Reunion) beladenes Navi, aber es kennt sich nicht aus. Ein blauer Pfeil auf weißem Grund. Na super. So g’scheit bin ich auch. Ich versuche es mit dem Handy, doch leider: kein Internet. Hier bin ich nun endlich 🙂 im heißen (weißen Navi-) Nirvana und weiß nicht, wohin ich fahren muß. Mein Vermieter hat gebeten, ihn anzurufen, wenn ich da bin – leider habe ich mir aber die Nummer nicht notiert, steht ja eh im Airbnb Verlauf… super – kein Netz, kein Net, keine Nummer.

Noch bevor ich anfangen kann, irgendeine Art von Verzweiflung zu entwickeln, läutet mein Telefon. Es ist Jano, mein Vermieter. Wo ich denn so lange bleibe? Herzlich willkommen, aber es gibt ein Problem, er muß nämlich eigentlich schon wieder weg. Ob ich eh weiß, wie ich fahren muß… ? Nein, aber ich hoffe es ist ausgeschildert, weil mein Navi geht nicht!! Also, ich soll mich doch bitte beeilen, er beschreibt mir den Weg – auf französisch natürlich 🙁 …und wir wollen uns bei einer bestimmten Ausfahrt treffen. Na gut, ich fahr halt mal los.

Ein geistiger Blick auf meine innere Landkarte sagt mir, dass ich himmelsrichtungsmäßig nach links muß, das wäre geographisch sinnvoll. Dieser Geistesblitz führt mich zunächst aber nur in eine Sackgasse. Besser, wäre es vielleicht doch, zuerst mal eine größere Straße zu suchen.

Der Verkehr in der Hauptstadt Saint Denis ist jedenfalls auch kein „Lercherlschas“, wie man so schön sagt, bei uns in Wien. Aber ich hab’s ja eh nur – ein bißerl – eilig und kenn mich dafür – gar nicht – aus. Ich versichere mich mit einem Anruf bei Jano, dass St. Paul die richtige Richtung ist ? „…ja passt, immer nur rechts halten.“ In einem der zahlreichen Kreisverkehre halte ich mich ganz weit rechts und finde mich flugs auf einer vom Rest der Straße baulich mit Beton abgetrennten Busspur wieder. Schön langsam komme ich mir vor, wie einer dieser Helden aus den „Spaßvogel“ oder „Tollpatsch“ Filmen, die aber auch gar kein Fettnäpfchen auslassen.

Die Busspur vereint sich nach etwa einem halben Kilometer wieder mit dem Rest der Straße, (danke vielmals!!! zurück kann man da nämlich auch nicht mehr) ich fahre auf die Autobahn und lege mal ein wenig Zahn zu.

Nun geht alles sehr schnell: besagte, vorher vereinbarte Ausfahrt ist ebenso leicht gefunden wie meine Kontaktperson und kurz darauf sehe ich mich schon hurtigst einem Motorrad folgen. Jetzt aber eher wie in einem James Bond Film, zunächst auf der Autobahn, dann steil bergauf, durch eine beträchtliche Anzahl von Kehren, Haarnadelkurven und über plötzlich auftauchende, relativ hohe Schwellen. Also, eines darf man in diesem Land sicher gar nicht haben: Angst vor Bergfahrten! Ich bin ja von diversen Italien Urlauben, bezüglich enger Gäßchen und speziell meinem Elba Aufenthalt bezüglich enger und steiler Bergstraßen einiges gewöhnt, aber das toppt eindeutig alles. Eine plötzliche spitze Linkskurve führt unerwartet in eine gänzlich unbefestigte Straße, mit bemerkenswerten Schlaglöchern in hübscher roter Erde. Dann geht es nach rechts und steil bergab. Ich weiß nicht, aber ich glaube, dieser Steigungsgrad wäre in Österreich straßenbaulich nicht genehmigt. Ich wünsche mir augenblicklich ein Kettenfahrzeug.

Zu meiner Erleichterung sind wir bald darauf da, ich werde in meinen Parkpatz eingewiesen und steige mit großer Freude aus. Ich habe wirklich Glück, das Haus ist ein Traum, die Aussicht auf’s Meer fantastisch, es ist ein Sandwich für mich vorbereitet und ein Bier eingekühlt: Le Dodo e la! So heißt das Bier nämlich hier. Dodo. Schön. Exotisch. Cool. Nach dieser kleinen, sehr willkommenen Erfrischung schleppe ich mich und mein Gepäck in mein Zimmer und will nur noch eines: In Ruhe und bequem ausgestreckter Lage schlafen.