Irisch Reisen (oder das Kreuz mit dem Personen-Transport) 1

Prolog

Einmal einen Urlaub ohne (teures) Mietauto machen und ein Land mit den Öffis bereisen – das war die Idee. Mein Mann und ich fanden das prinzipiell gut. Nur die Rechnung haben wir ohne den Wirt gemacht. In der Praxis bekommen es Irland- Reisende mit diversen Widrigkeiten zu tun, die – zumindest für uns Österreicher – durchaus überraschend sind.

Kapitel 1: Der Zug

Frisch vom Kontinent eingeflogen, wollen wir die ersten Nächte lieber im Westen des Landes verbringen, wo an Wochenenden die Übernachtungspreise erschwinglicher sind als in der Metropole Dublin. Dafür nehmen wir einen Zug. Haben wir daheim recherchiert. Der Intercity Dublin – Galway fährt alle zwei Stunden. Naja, nicht gerade ein berauschend dichtes Intervall, aber es geht sich gut aus. In 1,5 Stunden sollte es locker zu schaffen sein, die 15 km vom Flughafen zum Bahnhof mit dem Bus zurückzulegen. Dachten wir. Nicht so in Dublin. Unser Bus zuckelt im dichten Stadtverkehr träge dahin und hat gegen Ende seiner Strecke auch noch gefühlt alle 100m eine Haltestelle.

Etwa eine Minute vor der geplanten Abfahrt unseres Zuges (13:35) fahren wir endlich beim Bahnhof vor – schaffen wir das noch? Kurzentschlossen laufen wir einfach los. Einer Leuchttafel entnehme ich im Vorbeirennen: Galway 13:49. Hey, der fährt ja erst 4 Minuten später als gedacht, das ist ja fantastisch! Wir drucken in erstaunlicher Geschwindigkeit zwei Tickets aus dem Automaten, passieren die Kontroll-Sperre, müssen dort aber wieder raus, weil unser Ziel-Gleis, Nummer 7 wie sich herausstellt, am ganz anderen Ende des Bahnhofes liegt. Wir winken und wedeln mit unseren Tickets und ein uniformierter Mensch läßt uns gnädigerweise in die entgegengesetzte Richtung wieder durch.

Wir spurten Richtung Gleis sieben. Am anderen Ende. Ein paar Menschen kommen uns entgegen. Viele Menschen dann. Menschenmengen nun. Sie strömen aus einem Zug, der soeben angekommen ist: Der Intercity aus Galway. Arrival 13:49. Hier sieht man es groß auf der Anzeigetafel. Shit. Das war wohl nix. Dann nehmen wir eben den nächsten – tja, was sind schon zwei Stunden!? Man muß es positiv sehen. Essen ausfassen ist angesagt, wir sind ohnehin sehr hungrig.

Unsere erste Bekanntschaft mit irischem Pubessen ist jedoch nur mäßig erfreulich. Wir teilen uns um sauteures Geld eine Portion matschiges Kartoffelpüree mit zwei trockenen Truthahnscheiben und totgekochtem Gemüse (der Farbe nach zu urteilen waren es im früheren Leben wahrscheinlich einmal Karotten), das Ganze schön salzarm (soll ja gesund sein). Zu unserem Glück gibt es neben Servietten, Salz, Pfeffer und Zucker aber auch noch Saucen: Senf, Ketchup, Mayo und diverse Flüssigkeiten in allen Variationen, Farben und Formen, in Gefäßen oder abgepackt in kleine Röllchen, in Hülle und Fülle: die Sauce – Lichtblick des irischen Essens, Würze seines fahlen Lebens. Das wird man sich merken müssen.

Den Rest der zwei Stunden Wartezeit verbringen wir den Bahnhof umrundend (man muß sich ja mal bewegen), was mit dem ganzen Gepäck jedoch nicht wirklich optimal ist. Also landen wir bald wieder in einem Pub, bzw. davor, denn die Oktobersonne scheint herrlich warm. Wir klopfen ein Glas Guinness auf seine Genießbarkeit ab und finden es schon mal wesentlich besser als das Essen vorhin. Ist in dem Fall keine große Kunst. Aber ja, doch, laß es ein bißchen einwirken – es ist wirklich gut, ein wenig schokoladig! Diverse Getränke munden jedenfalls dort, wo sie hergestellt werden. Allerdings nur dort. Zu Hause ist das wieder was ganz Anderes. Man denke an die eine oder andere aus dem Urlaub mitgebrachte Flasche Retsina oder Ouzo, der daheim einfach nur grauslich schmeckt.

So ein irisches Pub ist wohl auch nur in diesem Land besonders schön und stimmig. Es hat jedenfalls ein ganz eigenes Flair, angefangen beim Interieur mit den dunklen Wandfarben und den zahlreichen Zapfhähnen, Spiegeln, Tafeln und Werbeschildern bis hin zu seinem dem Publikum, dem lebendigen Interieur. Skurile Gestalten, sonderbar bisweilen. Wunderbar zum einfach Dasitzen und Beobachten. Wir haben ja gerade Zeit dafür.

Als wir die Bahnhofshalle wieder betreten, schweigt sich die große Anzeigetafel aus: sie zeigt zwar genaue Abfahrtszeit und Destination, aber von welchem Gleis unser Zug abfahren wird, bleibt bis etwa fünf Minuten davor Geheimnis der irischen Bahn. Rund um uns stehen und starren etwa weitere 100 Leute auf die Leuchttafel, und als endlich eine Nummer neben “Galway” aufleuchtet, starten alle los wie beim Vienna City Marathon, allerdings mit Koffern und Taschen und größtenteils ohne Laufschuhe.

Wir ziehen mit dem bepackten Menschenstrom zu den Wagen, die sich nun rasch und zügig füllen. Viel Zeit bleibt ja nicht mehr bis zur Abfahrt. Und wir haben Glück: wir ergattern zwei schöne Plätze am Fenster und lassen uns erleichtert nieder. Geschafft. Für einen kurzen Augenlick jedenfalls. Auf kleinen Leutschildchen neben dem Fenster ist bei uns “O’Neil” und “McCormick” zu lesen. Oder so ähnlich. Jedenfalls sind damit sicher nicht wir gemeint, denn wir haben keine Sitzplatzreservierung, nur ein Ticket aus dem Automaten. Doch Namen stehen überall, jeder einzelne Platz hier ist vorreserviert. Wieso bitte sagt uns das niemand? Auch das blöde Internet in Wien nicht?!

Frustriert verlassen wir die Sitze, die kurz darauf schon von ihren rechtmäßigen Besitzern eingenommen werden und suchen uns einen Steh- beziehungsweise AufdemKoffersitzplatz. Meiner trägt mich (sagt man das so, wenn man drauf sitzt?) ganz gut, der meines Mannes dellt sich leider nach kurzer Zeit erheblich ein. Zum Glück gibt es ja einen Boden, auf dem man sitzen kann. Wir hoffen darauf, dass zwei Menschen möglichst bald aussteigen und uns beerben würden, und so kommt es dann auch.

Etwa auf halber Strecke bleibt der Zug stehen. Steht. Und bleibt es auch. Dann eine Durchsage: leider verzögert sich unsere Weiterfahrt, da die Schienen überflutet sind. Auch das noch. Ja, stimmt, es regnet. Aber es scheint auch die Sonne. Ein wirklich prächtiger Regenbogen spannt sich auf einem schwarzgrauen Himmel auf, in dessen Betrachtung wir ein Weilchen versinken. Wie die Überflutung beseitigt werden konnte bzw. warum wir problemlos nach etwa 10 Minuten weiter fahren können, entzieht sich meiner Kenntnis und wird auch nicht erklärt.

Unsere Fahrt nach Galway brachte es schließlich auf drei Stunden und 15 Minuten. Wir hatten also eine dreiviertel Stunde länger als geplant das Vergnügen, die irische Bahn nutzen zu dürfen. Welch Freude. Als wir unsere Unterkunft erreichen (ich akzeptiere heute kein anderes Verkehrsmittel mehr, außer ein Taxi!), sind wir von unserer Haustüre daheim insgesamt 10 Stunden unterwegs. Welcome to the West. Ich fühle mich angekommen. Am Ende der Welt.