Kanadisch Reisen – Teil 1

Reise nach Halifax

Diese Reise hätte beinahe nicht stattgefunden. Um ein Haar hätte ich nämlich den Flughafen gar nicht erreicht. Um 4:30 ist es in Wien noch stockdunkel und ich sitze verschlafen in einem Taxi. Kurz vor dem Ziel nähert sich mein Fahrzeug verdächtig schnell dem Pannenstreifen und in weiterer Folge der Leitplanke. Geistesgegenwärtig rufe ich laut: „Hallloooooo!!! Schlafen Sie?“ Der Fahrer lenkt abrupt wieder in Richtung Mitte – „Äääh, nein, alles gut! Ich schlafe nicht.“ Ja, jetzt nimmer. Oida! Ich bin auch nicht ausgeschlafen, aber ich lenke kein Fahrzeug. Ich gebe mein Gepäck auf, lasse den security check über mich ergehen und erhole mich bei einem Kaffee und Croissant von meinem morgendlichen Schock. Wenigstens bin ich jetzt putzmunter.

Ich bin auf dem Weg zur Prince Edward Insel (PEI), ganz oben rechts auf der Kanadischen Landkarte. Es ist kurz nach Weihnachten und außer mir fährt wohl niemand mitten im Winter dort hin. Ist ja auch nicht gerade um’s Eck: ich brauche drei Flüge, eine fünfstündige Bus- und eine dreiviertel-stündige Autofahrt (die 30 Minuten Taxi zum Flughafen in Wien lasse ich mal außen vor). Ich werde dort eine Freundin besuchen. Ob das eine gute Idee ist – jetzt? Man wird sehen.

Der erste Flug nach Frankfurt ist keine große Sache, den riesigen Flughafen zu durchqueren und den Anschlußflug zu finden allerdings schon. Es ist zeitlich relativ eng (ich habe keine langen Lay-Over gebucht, weil das nervt), aber als ich an einer Wechselstube vorbeikomme, möchte ich mir unbedingt ein paar Kanada Dollars holen, denn in Wien waren kurzfristig keine aufzutreiben.
Just in case, falls das blöde Plastikgeld nicht funktioniert (das hatte ich ja schon mal in Schweden). „Ich möchte bitte 50.- Euro in CanD tauschen“. Die Dame am Schalter war gewieft: „Das ist eine schlechte Idee, jedesmal, wenn Sie wieder einwechseln, kostet das Gebühr, also tauschen Sie besser jetzt gleich mehr um!“ „Na gut, dann bitte 100.- Euro“; Replik: „Ja, ich muß auf eine vernünftige Summe in CanD kommen, wie lange bleiben Sie dort? Aha… tipp tipp.. rechnet, rechnet… okay, perfekt, ich habe Can D 150.- für Sie!“ Mein Hirn befindet sich im totalen Streßmodus, weil ich muß ja den Flug nach Montreal erreichen. Fazit: ich mache den schlechtesten Deal meines Lebens und bekomme für 140.- Euro ganze 150.- CanD. Verlust: min Eur 40.- Wenn man/frau sich in den Hintern beißen könnte – hier wäre es angebracht. Aber das checke ich erst viel später.

Pünktliche Landung in Montreal (auf französisch ohne „T“, sehr sexy!) nach einem angenehm ruhigen Flug und ich mache meinen ersten Spaziergang in der „Neuen Welt“. Der Flughafen ist hübsch und modern, ich komme an einem Lokal mit Kaminfeuer vorbei, sehr gemütlich! So stelle ich mir Kanada vor: Fireplaces und Holzfällerhemden (gibt es hier auch zu kaufen), Tonic Water und Gin on Ice. Ein paar Bären vielleicht… in der Ferne. Wie gerne würde ich mir die Stadt anschauen, doch ich muß gleich weiter. Noch ein Flug nach Halifax. Dort werde ich mich mal ausruhen und zwei Nächte bleiben, bevor ich weiter auf die Insel fahre. Beim Gate lasse ich mich erschöpft auf einer gemütlichen Couch nieder, die zu einem Lokal gehört. Füße hoch, herrlich – aber ich traue mich nichts zu bestellen, denn das Boarding beginnt in Kürze. Die Kellnerin gibt mir aber bald zu verstehen, dass das so nicht geht. Wenn der Chef kommt… und ich sitze da und habe nix zu trinken?! Sie bietet mir gratis ein Glas Eiswasser an der Bar an. Das ist nett. „Happy New Year!!“ Wie bitte ?! Es ist der 27. Dezember. Bei uns gibt es diesen freundlichen Wunsch erst nach Silvester.

In Halifax holt mich ein vorbestelltes Taxi ab und bringt mich zu meiner kleinen Frühstückspension. Es ist ein recht langer Weg, etwa 40 Minuten. Es ist immer noch hell. Ich bin schon stundenlang unterwegs und schon etwas müde, doch aufgeregt. Die Landschaft ist wunderschön, viele kleine Seen, Flüsse, Wälder, Felsen. Ich sauge alles in mir auf und als wir die Stadt erreichen, bin ich begeistert von der Architektur, die vielen einzelnen bunten Häuser mit ihren Veranden und verschnörkelten Holzverzierungen. Keine Weihnachtslichterorgien… oder? Doch. Viel mal mehr und manchmal weniger. Aber hübsch. Meine Pension ist schnuckelig, ein Gebäude im viktorianischen Stil mit steiler Stiege (gut dass ich einen schweren Koffer habe… grrr…). Das Interieur bietet viel für’s Auge, einen riesigen Weihnachtsbaum im Frühstückraum und viel Deko – irgendwo zwischen Kult und Kitsch schwankend. Die Betreiber sind Inder (oder so ähnlich?). Es gibt viele Farbige hier, fällt mir gleich mal auf. Und die Autos schauen komisch aus. Ich brauche ein klein bißchen, bis ich draufkomme, was es ist: sie haben alle vorne keine Nummerntafel. Und die Ampeln haben teilweise vier Lichter!! Da bin ich aber mal gespannt, was neben rot, gelb und grün wohl kommt…? Aha, ein Blinklicht (grüner Blinkkpfeil – schade, blau hätte sich angeboten).

Ich mache mich auf den Weg, um ein Lokal zu suchen, denn ich bin sehr hungrig. Um 17:30 dämmert es bereits. Die beste Zeit um essen zu gehen, denn meisten Lokale schließen nämlich um 19:00, wie ich kurz darauf erfahre. ? Andere Länder, andere Sitten. Naja, Glück gehabt. Ich bestelle Linguine mit Meeresfrüchten – gute Wahl! Ich bekomme die besten Jakobsmuscheln meines Lebens (scallops, mhhhh!!!) telefoniere mit meinem Mann zu Hause und bin sehr glücklich. Angekommen.