Polnisch Reisen Teil 1 – Die erste Begegnung.

Wooohin wollt ihr heuer im Sommer fahren? Nach Polen… echt jetzt…?“ „Ja, genau!“ Es folgen verschiedene Kopfschräglagen, – schütteln und mitleidig seltsame Blicke, danach kommen Witze a la: „Wieso haben die in Polen Kreisverkehre mit 10 km Durchmesser? Damit man auch mit Lenkradsperre durchfahren kann!“ (Haha…). Meine nordmazedonische Putzfrau hingegen quittiert unsere Ankündigung mit Ratlosigkeit: „Polen? Wo ist das?…kenn ich nicht!“ Als potentielles Urlaubsziel völlig ungeeignet, mindestens ebensogut wie der Mond. Naja, den kennt sie wohl besser. Vom Sehen. Die Reaktionen auf unsere Urlaubspläne sind jedenfalls durchwegs weniger von Euphorie als von Befremden geprägt, was uns aber nicht davon abhalten kann, einmal etwas völlig Neues zu probieren. Mein lieber Mann und ich erkunden Terra Incognita – das Fremde, es ist doch eigentlich so nah! Rückblickend muß ich sagen, es hat sich auf jeden Fall gelohnt!

Wir starten unsere Reise an einem heißen Augusttag. Mit dem Auto unterwegs in Richtung Norden, das ist schon einmal etwas Neues, denn normalerweise geht es bei uns in die entgegengesetzte Richtung. Wir spekulieren mit ein wenig Abkühlung. Zugegeben.

Nichts Ungewöhnliches begegnet uns auf der Fahrt durch Tschechien, die Strecke kennen wir ja bereits von einem winterlichen Ausflug nach Ostrava (diesmal haben wir beide brav den Reisepass mit 😉 s.Tschechisch Reisen). Die Grenze zu Polen ist bemerkenswert unauffällig, sie scheint vielmehr überhaupt nicht zu existieren: keine einschlägigen Gebäude, keine Beamten, kein gar nichts. Nur andersfarbige Schilder lassen vermuten, dass man sich in einem anderen Land befindet. Ich finde das sehr angenehm. Kein Stau an der Grenze, für Nix und wieder Nix (wie kürzlich bei der Einreise aus Slowenien, wo nach langer Warterei ein österreichischer Beamter kurz einen gelangweilten Blick ins Auto wirft und „weiter winkt“. Die Pässe schaut er nicht einmal an… grrrr).

Also sind wir jetzt in Polen. Ziemlich sicher. Wir fahren seelenruhig dahin und schauen uns um. Plötzlich rast ein blaues Auto mit Höllengeschwindigkeit von hinten heran, fährt rechts an uns vorbei, um anschließend in einem interessanten Slalomparcours weitere Fahrzeuge zu überholen. Na bum. Ich bin kurz ziemlich überrascht (geschockt), aber dann fällt es mir wieder ein, es stand sogar im Reiseführer: die Polen fahren ziemlich… hmmm… abenteuerlustig. „Halsbrecherisch“ wäre wohl treffender. Konzentration! Es bleibt zum Glück eher ein Einzelfall.

Interessante knallbunte Brückenkonstruktionen fallen auf, und elendiglich lange Schilder: weiße Buchstaben auf grünem Grund. Die polnischen Ortsnamen sind nicht gerade kurz und die verwendete Schrift ist rund und ausladend. Schilderhersteller brauchen hier viel Material! Seltsame Buchstaben gesellen sich auch noch dazu: das durchgestrichene L zum Beispiel – es spricht sich wie ein englisches „w“ in „water“ habe ich gelesen. Aus dem berühmten „Lodz“ würde demnach hierzulande ein „Wodsch“. Klingt irgendwie gatschig. So hätte das kein Schlager-Hit werden können! (Theo, wir fahr’n nach Wodsch !? …nö). Es gibt jedenfalls im polnischen Alphabet zusätzlich noch sieben Buchstaben. Hört sich kompliziert an. Ist es auch! Wir werden noch sehen (hören).

Fahrerwechsel – ich überlasse meinem Mann das Steuer. Es ist noch immer ziemlich heiß. Am frühen Abend erreichen wir unser erstes Ziel in Schlesien: „Opole“ – zu deutsch „Oppeln“. Früher war hier alles von deutschsprachiger Bevölkerung besiedelt, doch dazu später. Das hübsche Städtchen an der Oder (bzw. einem Nebenarm, dem Mühlkanal) zeigt sich in der Abendsonne von seiner besten Seite: ein großer viereckiger Marktplatz, umgrenzt von schlanken spitz be-dachten und reich verzierten Häuschen, teilweise im Fachwerkstil. Das schmucke Rathaus in der Mitte sieht aus als wäre es aus Venedig gestohlen und hierher versetzt worden. Davor trohnt ein massiver bronzener Reiter auf einem riesigen Pferd: ein polnischer Held oder König, höchstwahrscheinlich beides. Umrahmt wird das ganze Geschehen von zahllosen weißen Schirmen mit roter Schrift: sie tragen das Logo einer berühmten polnischen Biermarke. Der gesamte Platz wirkt so wie ein riesiger Gastgarten. Sehr einladend. Das Bier schmeckt uns weniger gut, dafür begeistern wir uns für die erste polnische hausgemachte Spezialität, die wir da bekommen: Pirogen, gefüllte Teigtaschen, in einer Variation mit Entenfleisch, hübsch angerichtet und sehr schnell verzehrt. Die untergehende Sonne hüllt das Szenario in weiches Gold und wir fühlen uns absolut wohl inmitten des gemäßigt lebhaften Treibens. Wir hören Polnisch, diverse andere slawischen Sprachen, und auch ein wenig (nordisches) Deutsch – auf jeden Fall ist nirgendwo österreichisches Idiom zu hören. Wie angenehm! Wir sind hier eindeutig die einzigen aus Wien 😉 „Polen…? Wo ist das?…kenn ich nicht!“