Polnisch Reisen Teil 2 – Der seltsame See am Weg nach Breslau

Opole, Polen. Wir starten unseren Stadtspaziergang nach einem guten und reichhaltigen Frühstück im Hotel. Auffallend grün ist es hier, so richtig saftig auch noch Mitte August. Besonders hübsch sind die Uferpromenaden mit üppig wachsender Natur. Nie würde man in Wien eine Trauerweide im öffentlichen Raum dermaßen wuchern lassen – wunderschön. Jenseits der streng regulierten Oderflusses lachen uns bunte Plattenbauten entgegen – ja, wir sind im ehemaligen Ostblock! Ein herber Kontrast zur lieblich und sorgfältig restaurierten Altstadt; das sollte uns auf dieser Reise noch öfter begegnen. Die Graffitis an den Wänden unten am Fluß unterscheiden sich stark von denen, die wir kennen: märchenhaft, lieblich, phantasievoll – so gar nicht aggressiv, positiv. Wollen eine Geschichte erzählen, so scheint es mir. Hin und wieder gibt es auch ein schönes, kunstvolles Mosaik mit Steinen und Spiegelfliesen.

Aufbruch, weiter geht es nach Norden, Richtung Breslau. Ein ehemals schmuckes, doch bereits erheblich verfallenes Gebäude lockt uns aus für ein paar Fotos dem Auto. Definitely a lost place – das würde was hermachen! Mit guter Fotoausrüstung. Haben wir aber nicht und wir wollen auch nicht zu sehr in das Gelände eindringen, daneben ist ein bewohnter Hof und alles ist eingezäunt. Wir schlupfen durch ein kleines Loch, machen ein paar Schnappschüsse, vor allem vom lieblich verzierten Holz-Erker, der schon wesentlich bessere Zeiten gesehen hat, und fahren weiter. Ich habe einen kleinen See ausgemacht, an dem man vermutlich baden kann, was die einzig vernünftige Tätigkeit an diesem heißen Sommertag ist. Wir sind bereits ca. 600 km Richtung Norden gefahren, doch noch keine Spur irgendeiner Abkühlung!

Ein wenig müssen wir suchen und durch ein Campingplatzgelände irren, aber schließlich finden wir einen herrlichen, schattigen Badeplatz. Nur – es badet niemand. Komisch. Eine Frau steht bis zur Hüfte im Wasser. Ein paar Boote sind am See unterwegs, auch ein Stand Up Padler zieht seine Runden. Ich schmeiße mich in den Bikini und stapfe zum Ufer. Das Wasser ist ziemlich gelblich. Ich frage die Bis-zur-Hüfte-im-Wasser-Frau, ob man hier schwimmen kann. Sie schaut mich verständnislos an. Englisch ist hier nicht angesagt. „Dobro?“ Ich deute auf’s giftgelbe Wasser. Sie nickt. „Dobro!“ Ich überwinde mich und versuche es, ja, fühlt sich sogar ziemlich gut an, eine herrliche Abkühlung! Aber weit hinaus schwimmen traue ich mich nicht.

Mein Mann kühlt sich lieber von innen, mit gelbem Wasser und weißem Schaum. Er sitzt bei einem Bier im Schatten auf einer abenteuerlichen Palettenmöbelkonstruktion, schaut auf sein Handy und wirkt sehr zufrieden. Wir verbringen den ganzen Nachmittag dort, lassen die Seele baumeln und erholen uns. Irgendwann stürzen sich plötzlich ein paar Menschen ins Wasser und schwimmen genußvoll weit in den See hinaus. Also doch! Ich tue es ihnen nach. Großartig! Schon komisch, wie sehr man sich verunsichern läßt – aber vielleicht ist das auch gut so. Man weiß es ja nicht… es hätten ja auch Krokodile drin sein können in der Brühe… (wohl eher nicht) oder irgendwelche Gifte? (das eher).

Am Abend erreichen wir die erste polnische Großstadt: Breslau (auf polnisch korrekt ausgesprochen klingt das etwa wie: „Brotswaf“. Mit einem sehr weichen B und W). Mit ihren knapp 700.000 Einwohnern ist sie die drittgrößte Stadt im Land (nach Warschau und Krakau). Die erste Schwierigkeit besteht darin, die richtige Adresse zu finden, die zweite, mit dem Auto dorthin zu gelangen (ohne sämtliche Verkehrsregeln zu mißachten) und die dritte, einen (legalen) Parkplatz zu finden. Wir haben Glück, doch die Aktion dauert. Ich kreise in der Stadt herum, fahre mehrmals die gleichen Straßen entlang, überquere wiederholt den Fluß und entferne mich immer wieder vom Ziel. Warnungen, Hinweise und Ratschläge meines Mannes sind eher weniger hilfreich, das liegt aber an unserer beider äußerst angespannten Nervensituation. Was würde man jetzt tun ohne GPS? Unvorstellbar eigentlich. Schön ist es, direkt im Zentrum zu logieren, aber erst nachdem man das Auto und das Gepäck sicher verstaut hat.

Wir schaffen das. Und dann rein ins Getümmel. Das tut sich hier gewaltig. Sehr viel Menschen wuseln umher, umso mehr, je näher man dem Hauptplatz (Rynek) kommt. Und der ist: WOW! Ich bin hin und weg. Wieder so ein quadratischer Marktplatz, allerdings riesig, umgeben von bunten Häusern in allen Formen und Farben. So wie ich es in meiner Phantasie irgendwann möglicherweise gemalt hätte, wenn ich euphorisch genug drauf gewesen wäre. Unglaublich schön. Jetzt einfach mal nur irgendwo hinsetzen und staunen (und die vielen lärmenden Leute möglichst ignorieren). Natürlich mit einem schönen kühlen bunten Getränk: Aperol Spritz passt zu den Häusern und zum Sonnenuntergang. Perfekt. Polen kann sehr schön sein.